Von Peter Pabisch
Lita Heiber Blake starb im Jahre 2007 in Santa Fe, Neumexiko, im Alter von einhundert und vier Jahren. Sie war in der historischen Ära des Fin-de-Siècle in Wien in eine wohlhabende jüdische Familie geboren worden, die die kulturelle Einzigartigkeit dieser walzerliebenden Stadt schätzte. Wie andere Angehörige ihrer begabten Menschengruppe trug die Familie zur intellektuellen und kunstsinnigen Atmosphäre Wiens bei. Politisch gesehen war die alte Metropole Hauptstadt von vielen, nämlich zwanzig Nationen, ganz im Gegenteil zu anderen europäischen Staaten, die eher das Nationale schätzten und behüteten – wie Frankreich und Deutschland. Bekannterweise wurde das Land mit dem Namen Österreich nach mehreren Jahrhunderten 1867/68 in eine österreichisch-kaiserliche und eine ungarisch-königliche Reichshälfte geteilt, worin verschiedene Städte als kulturell gleichberechtigte Führende in diesem Vielvölkerstaat hervortraten – allen voran Prag, Budapest und Wien, obwohl auch kleinere Städte in diesem Wettbewerb mit den drei großen konkurrieren wollten. Wir haben in unseren Tagen vergessen, dass die damals österreichische Stadt Lwiv, deutsch Lemberg, den Anspruch als „kleines Wien“ genoss, und dass es sogar heute, trotz eines brutalen, grausamen Krieges, als die attraktivste Stadt der Ukraine gilt. Auf Grund der Tatsache, dass der Kaiser und König in einer Person mit zwei Kronen in Wien lebte, genoss diese Stadt vor allen anderen Orten in diesem Reich zentrale Bewunderung und wurde verständlicherweise um diese Stellung auch beneidet. Dennoch fiel die österreichisch-ungarische Monarchie 1918, nach dem Ersten Weltkrieg, politisch in ihre nationalen Teile auseinander, konnte aber in diesem gesamten Bereich ihre kulturelle Einheitlichkeit bis in unsere Tage ununterbrochen erhalten, sieht man von den sieben sogenannten Nazi- oder Hitler-Jahren von 1938 bis 1945 ab. Jüngst, seit 2009, wird Wien fast jedes Jahr auf der Mercer-Skala an ersten Stelle der lebenswertesten Städte der Welt aufgelistet. Wien ist ein tatsächliches Zentrum für einen Lebensstil geblieben, der alle Länder seiner früheren Geschichte vereint, dabei nationale Engen ablehnt und eine menschliche Atmosphäre umfasst, der beinahe alle Menschen zustimmen können.
To read more subscribe now! Click here!